Minimalismus und die Deutsche Bahn
- Cécile Abati
- 26. Sept. 2024
- 2 Min. Lesezeit
Ihre weissen Gelnägel klimpern auf der dicken, schwarzen Tastatur herum. Ich sitze im Kreisbüro, müde, meine Augen brennen, und ich fülle mein Abmeldeformular aus. Wegen Müdigkeit und ungenauen Lesens muss ich auf ihre Anweisung hin ein paar Dinge auf dem Formular ergänzen, bevor ihre weissen, etwas zu stark gefüllten Gelnägeln eifrig in die dicke, schwarze Tastatur tippen können. Ich sitze auf dem Stuhl, schwinge meine Füsse hin und her wie ein kleines ungeduldiges Kind, das darauf wartet, aufgerufen zu werden. Ein paar Minuten später, nach einem Seitenblick, einem bestätigenden Lächeln und Nicken, signalisiert sie mir, dass sie mit der Digitalisierung fertig sei. Sich abzumelden ist gratis. Eine Bestätigung kostet. 20 Franken ärmer, genauso müde, gehe ich nach Hause.
Am nächsten Abend beginne ich zu packen, meine Illusionen etwa so gross wie der materialistische, irdische Kram, den ich verzweifelt versuche, mit Vakuumbeuteln in meinen Koffer zu stopfen. Leicht verzweifelt sitze ich auf dem Boden meines 9,25 m² kleinen Zimmers, starre auf meine Bücher und überlege ernsthaft, ob ich sie auch in Vakuumbeuteln schrumpfen lassen könnte.
Am nächsten Tag hat sich mein minimalistisches Selbstbild absolut in Luft aufgelöst. Ich besitze mehr Bücher, als ich gedacht habe, und darunter einige ungelesene, in der Hoffnung gekauft, die Person zu sein oder zu werden, die solche Bücher liest. Meine Pflanzen, deren Namen ich nie gelernt habe und die mehr durch Glück als durch gezielte Pflege überlebt haben, lasse ich ungern zurück. Von meinen Mitbewohner:innen möchte ich gar nicht erst anfangen. Die letzte Nacht in Zürich, die letzte Nacht vor meinem Umzug in eine neue Stadt mit der Deutschen Bahn. Müde, im leeren Zimmer sitzend, wünsche ich mir, dass die Deutsche Bahn sich morgen nicht ihrem Ruf entsprechend verhält und meine Freundinnen sowie mich zusammen mit meinen 130 Kilo Gepäck in nur neun Stunden zu meinem neuen Zuhause bringt.