Kannst du das weiterleiten?
- Cécile Abati
- 16. Apr. 2024
- 2 Min. Lesezeit
Ich spaziere gerade runter zum Hauptbahnhof, da hält mich einer auf, ob er mich etwas fragen darf? In meinem Kopf höre ich schon die Frage zu Gott und seinem geliebten Sohn Jesus, ob ich nicht spenden möchte oder ob ich schon gewählt habe? Ich antworte leicht zögerlich mit „Ja“, denn ich möchte ja schon ein höflicher Mensch sein. Seine Frage, unerwartet, aber wahrscheinlich eine der schweizerischsten Fragen, die man stellen kann: „Weisch du, wo die nächst Migros isch?“ Überrascht von seiner Frage, erkläre ich ihm, wo er die nächste Migros findet. Er schaut mich an und seine Antwort auf meine präzise Wegbeschreibung, wo genau die Migros unterirdisch sich am HB befindet, ist: Ich sehe gut aus und sei gut angezogen. Noch überraschter bedanke ich mich und da fragt er mich, ob ich denn single sei?
Wir Frauen kennen die Antwort auf diese Frage, unabhängig davon, ob es so ist oder nicht. Wenn uns jemand Wildfremdes mit ungenauen Motiven diese Frage stellt, ist die Antwort immer „Nein“. Ob ich denn glücklich sei? Ich muss etwas lachen, er ist nicht leicht abzuwimmeln. Es sei so, erzählt er mir, er sei neu in Zürich und kenne sich nicht so aus hier, wie auch noch keine Frauen, daher, falls ich eine Freundin habe oder mir sonst jemand in den Sinn kommt, der passen könnte, könne ich gern von seinem Flyer ein Foto machen und weiterleiten. Mein Gehirn braucht einen kurzen Moment, um die Situation zu verstehen. Da hatte Giulio, 32, stolzer Besitzer eines GAs, ursprünglich aus Olten, tatsächlich einen Flyer mit diesen Infos (ich wusste nicht, dass ein GA ein solcher Pluspunkt ist), inklusive Bilder (ein klassisches beim Wandern, eins im Wald, bei dem er nachdenklich die Natur von der Seite betrachtet, eins, wo es aussieht, als würde er einen Workshop im Wald geben, und natürlich auch noch eins mit Sonnenbrille) von sich und seiner Handynummer zusammengestellt. Da konnte ich nicht widerstehen, ich machte ein Foto von seinem Flyer, den er mir abfotografiert auf seinem Handy zeigte, und lief schmunzelnd weiter Richtung HB. Giulio, du hast Mut in dem Zeitalter des Online-Dating, Chapeau!

Falls an dieser Stelle jemand Interesse hat, leite ich natürlich gerne den Flyer in guter Auflösung weiter.