Irland
- Cécile Abati
- 7. Apr. 2024
- 2 Min. Lesezeit
Ich versuchte es ein paar Wochen zuvor, war aber zu spät dran. Also versuchte ich erneut mein Glück und bekam einen Platz im Schreibworkshop für den Samstagmorgen in zwei Wochen. Ich trug mir den Termin ein und beschäftigte mich nicht weiter damit. Am entsprechenden Samstag zog ich mir meinen beinahe zu langen schwarzen Stoffmantel über, stopfte meine dicke braune Lesebrille, ein graues neues Notizheft mit einem roten Kugelschreiber in meine Bauchtasche und spazierte durch den Nieselregen los.
Ein grosser, etwas älterer Herr, ich nehme an meine E-Mail-Korrespondenz, begrüsste mich fein gekleidet, als würde er mir demnächst die Oper zeigen. Er sagte, ich dürfte mich an Kaffee, Tee und Gebäck bedienen und mir einen Platz aussuchen. Ich hängte meinen nassen Mantel am Kleiderständer auf, zwängte mich durch den engen Raum mit einer Deckenhöhe, die für kleine Menschen wie mich konzipiert wurde, drückte mit meinen kalten Fingern auf die Nespresso Maschine und nahm am Tisch Platz. Wir waren zu sechst an diesem Tisch, ich zog das Durchschnittsalter, abgesehen von einer Person, um etwa 40 Jahre herunter. Die Damen um mich herum plauderten, einige waren regelmässige Besucherinnen, der kleine Raum füllte sich.
Ein paar Minuten später stand der ältere Herr in seiner eleganten Kleidung unter der Türschwelle, sein Kopf leicht nach rechts geneigt; diese Decken waren nicht für seine Grösse konzipiert worden. Er begrüsste uns und stellte das heutige Thema vor: „Irland“. Alle wussten Bescheid, ich war überrascht. Die Boomer-Generation und älter waren informiert, hatten im Voraus Dinge über Irland gegoogelt, sie waren vorbereitet, ich überfordert. Zuerst gab er uns einige Aufwärmübungen, wie zum Beispiel: „Was verbindest du mit Irland?“ Grüne Hügel, Pubs, viele kleine geschichtliche Anekdoten, Scheidungsrecht erst seit 1995, grünes Moos, erstaunliche Landschaft. Das waren nicht meine Gedanken, meine Notizen in meinem kleinen grauen Notizbuch mit meinem roten Kugelschreiber beinhalteten: Au-pair (wo ich nicht einmal ganz sicher war, wie man das schreibt), Tortellini, Kindergarten, frisch gemähter Geruch von der Wiese in der Badi. Einfach, persönlich, überhaupt nicht hochstehend. Es wurde fleissig gegoogelt, bereits im Fliesstext niedergeschrieben, während mein Handy in der Bauchtasche neben meinem nassen Mantel auf der anderen Seite des Raumes hing.
Ich konnte mich kaum konzentrieren, in meinem Kopf schrieb ich nicht darüber, was ich mit Irland verbinde, darüber wusste oder erwarten würde zu sehen. In meinem Kopf schrieben sich diese Zeilen. Die zwei Stunden vergingen, ich lernte einiges über Irland, über Schreibblockaden und darüber, sich nicht entscheiden zu können, was man schreiben will/soll. Ich schlüpfte in meinen immer noch nassen Mantel und spazierte amüsiert nach Hause.