Die Wohngemeinschaft hat Krätze
- Cécile Abati
- 20. Juni 2024
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 21. Juni 2024
Ein paar Wochen ist es her, dass ich dir Syphilis gewünscht hätte, ein paar rote Flecken, eine kurze Antibiotikakur. Du kommst nach Hause, umarmst mich und teilst mir mit, deine neue Bekanntschaft, die letztens bei uns die Nacht verbracht hatte, hat Krätze.
Habe ich mich eigentlich für die Umarmung bedankt? Du sprichst die Worte aus, unter meiner Haut beginnt es zu kratzen. Meine Finger fangen an zu googeln, mit einer übertriebenen Menge Duschmittel versuche ich, meine Haut von innen heraus zu reinigen. Mehrfach desinfiziert, was nur meinem Verstand weiterhalf, schlief ich in meinem frisch bezogenen Bett ein. Am nächsten Tag machten du und ich uns auf den Weg in die Apotheke. Der Mann hinter der Kasse, welchem du unsere Situation erklärt hast, während ich ganz beschäftigt alle Produkte in der umliegenden Nähe mit meinen Augen abgescannt habe, weil ich den Mann hinter der Kasse natürlich kennen musste, nie auf seine Flirtversuche eingegangen war, diese werden wahrscheinlich auch nie wieder auftreten. Ihnen sei die Krätzecreme in der Apotheke ausgegangen, momentan beliebtes Produkt. Wir konnten unsere Geschichte nochmals zwei Stockwerke weiter oben am Hauptbahnhof bei Tageslicht erklären, du liessest noch einen Nagellack mitgehen, hast den Feiertagstarif für dich ausgeglichen.
Die Creme von Kopf bis Fuss und von Fuss bis Kopf eingeschmiert, die Bettwäsche, die Handtücher, die Kleidung 14 Tage lang täglich gewaschen, meine Haut hat sich beinahe an das hotelähnliche Gefühl von frisch duftender Bettwäsche gewöhnt.
Das zweite Mal, als wir die Creme holten, schaute uns die Frau in der 3. Apotheke leicht angewidert und mit einem durchaus „Ihr seid doch dumm“-Blick an, als sie uns fragte, von wann das Rezept sei und wir uns zuerst leicht irritiert und mit einem versteckten Lachen im Gesicht angeschaut hatten. Wir stotterten kurz, ähm, ja also schon von heute. In Wahrheit war die neue Bekanntschaft von dir Ärztin und hat uns die Rezepte in mehr als A-Post-Geschwindigkeit zugestellt, wir waren nie im Spital, wie unser Rezept behauptete. Sie schaute uns irritiert an, wie man nur nicht wissen könne, wann man im Spital gewesen sei, schon klar habt ihr Krätze. Das hat sie nicht laut gesagt, aber definitiv laut gedacht. Wir mussten lachen.
Eine weitere Ladung Creme von Kopf bis Fuss und von Fuss bis Kopf. Viel gewaschen, viel gelacht, danke für die lustige Geschichte.